Gottes Absichten mit Israel

Autor:Markus Rex

 

Bevor ich auf Gottes Absichten mit Israel eingehen kann, muss ich mit dem Heilsplan Gottes beginnen. Dieser ist älter als die Menschheit selbst, denn er besteht schon von Ewigkeit her.1 Im AT können wir sehen, wie er sich durch die verschiedenen Zeitalter hindurch entwickelt hat und wann die Erlösung bereits verheißen wurde. Diese Erlösung hat Christus schließlich vollbracht. Wenn die Gemeinde auch jetzt schon in vielen Segnungen der Erlösung leben kann, so ist das Heil Gottes weltgeschichtlich gesehen noch nicht vollendet. Das geschieht erst nach dem tausendjährigen Friedensreich in Form eines neuen Himmels und einer neuen Erde.

 

Aus Sicht der Bibel gibt es drei Menschengruppen auf der Erde: Israel, die Nationen und die Gemeinde. Der Heilsplan beinhaltet bestimmte Absichten, die Gott mit jeder einzelnen Gruppe verfolgt. Gottes Heilsgeschichte läuft also dreigleisig ab. Die Ereignisse für die Juden, für die Nationen und für die Gemeinde aufgrund des Heilplanes laufen parallel nebeneinander her. Das heißt, je nachdem wie weit sich Gottes Plan für die Juden oder für die Nationen schon entfaltet hat (und wir das erkennen), können wir als Gemeinde daraus Rückschlüsse für uns ziehen.

 

Nun lasst uns anschauen, was die Bibel über Gottes Pläne für Israel offenbart. Gottes ursprüngliche Absicht war es, durch Israel alle anderen Völker zu segnen2: »… und ich will deinem Samen das ganze Land geben; und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde …« (1 Mo 26,4). Israel sollte ihnen ein Vorbild und ein Beispiel dafür sein, wie Menschen Gott dienen und von Ihm gesegnet werden3. An der Bundesbeziehung zwischen Gott und Israel sollten die Heidenvölker Gottes Heil kennenlernen4. Deshalb gab Gott ihnen auch das Land »im Mittelpunkt der Erde« (Hes.38,12). Es liegt genau im Mittelpunkt der damaligen kultivierten Welt zwischen Europa, Asien und Afrika, wo sich fast alle Handelswege kreuzten. So wurde Israel von allen Völkern gesehen.

 

Aber Israel blieb nicht in diesem Bund. Deshalb trat Plan B in kraft: Zerstreuung unter die Völker und schließliche Wiederherstellung als Nation5. So wird z.B. schon in 5 Mose 30,1-5 angekündigt: »… unter all den Heidenvölkern, unter die dich der HERR, dein Gott, verstoßen hat, und wenn du umkehrst … so wird der HERR, dein Gott … dich wieder sammeln aus allen Völkern … und dich in das Land zurückbringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es in Besitz nehmen …«.

 

Der Apostel Paulus schrieb in seinem Brief an die Römer ausführlich darüber, welche Rolle Israel im Heilsplan Gottes spielt. Er wollte, dass die Gemeinden darüber Bescheid wissen. Wir sollten Gottes Absichten mit Israel besonders im Endzeitgeschehen kennen, um uns selbst klar positionieren zu können. Zum Selbststudium einige Stichpunkte dazu:

A) Gottes Treue zu Israel trotz der Zerstreuung, denn ihnen gehören die Bündnisse und Verheißungen (Röm 9,4-5; 3,1-4; 11,1-7.28-29)

B) Das Gemeindezeitalter als Anreiz für Israel (Röm 9,24-26; 10,19-21; 11,11-15.25)

Die Heiden sind »mit einverleibte« (Röm 11,17-24; Eph 2,14-21; 3,6)

C) Trübsal bzw. Gericht über Israel (Röm 9,27-29)

D) Israels Erlösung und Wiederherstellung (Röm 11,26-27)

Im Propheten Daniel finden wir weitere detaillierte Angaben über Gottes (Zeit-) Plan für Israel (siehe Dan 9,24-27). Es wird eine Periode von 70 Wochen genannt, die Israel durchlaufen soll. Die meisten Ausleger sind sich darin einig, dass es sich bei diesen Wochen um sogenannte Jahrwochen handelt6. Eine Woche entspricht sieben Jahren, 70 Wochen umfassen also einen Zeitraum von insgesamt 490 Jahren.

 

Zunächst geht es um die Dauer von 69 Wochen, also 483 Jahren. »So wisse und verstehe: Vom Erlass des Befehls zur Wiederherstellung und zum Aufbau Jerusalems bis zu dem Gesalbten, dem Fürsten, vergehen 7 Wochen und 62 Wochen …« (Dan 9,25).

Große Übereinstimmung besteht darüber, dass mit dem »Gesalbten« Jesus Christus gemeint ist. Biblisch belegt ist auch, dass der Befehl zum Wiederaufbau Jerusalems vom babylonischen König Artasasta kam. Aufgrund des Abschnitts in Esra 7,7-26 halten einige sein 7. Regierungsjahr für den Anfang der 69 Wochen. Allerdings ging es hierbei um den Wiederaufbau des Tempels und die Wiedereinführung des Gottesdienstes.

 

Plausibler ist es meiner Ansicht nach, das 20. Regierungsjahr anzusetzen. »Es geschah aber im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta … dann sagte ich zu dem König: Wenn es dem König gefällt und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so sende mich nach Juda, zu der Stadt, wo meine Väter begraben liegen, damit ich sie wieder aufbaue …Und es gefiel dem König, mich hinzusenden …« (Neh 2,1.5-6). Hier handelt es sich tatsächlich um den Befehl zum Wiederaufbau Jerusalems, und zwar um das Jahr 455 v.Chr.. Mit den 483 Jahren der 69 Wochen kommen wir dann zum Jahr 28 n.Ch..

 

Historiker meinen, dass Jesus eigentlich fünf Jahr v.Chr. geboren wurde. Im Jahre 28 war er dann also 33 Jahre alt, die Zeit seines öffentlichen Auftretens. Es ist sogar möglich, dass sich das Auftreten des »Gesalbten, dem Fürsten« auf den Einzug Jesu in Jerusalem bezieht.7 Bei diesem Ereignis präsentierte sich Jesus nämlich erstmals öffentlich als der gesalbte König.

 

Heutzutage ist es schwierig, alle geschichtlichen Ereignisse von damals exakt zu datieren. Wir können nicht immer alle Zeitangaben auf Genauigkeit überprüfen. Wichtig ist, dass es den Befehl zum Aufbau Jerusalems gegeben hat und dass Christus kam. Die Zeit dazwischen sind eben diese 69 Jahrwochen – und Gott verrechnet sich nicht.

 

»Und nach den (vorangegangenen 7 Wochen plus)8 62 Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden, und ihm wird nichts zuteilwerden; die Stadt aber samt dem Heiligtum wird das Volk des zukünftigen Fürsten zerstören, und sie geht unter in der überströmenden Flut; und bis ans Ende wird es Krieg geben, fest beschlossene Verwüstungen.« (Dan 9,26). Eine kurze Zeit nach seinem Einzug in Jerusalem wurde Jesus abgelehnt und gekreuzigt. Im Jahre 70 n.Chr. folgte die Zerstörung der Stadt durch die Römer und die Juden wurden in alle Winde zerstreut. Bis ans Ende werden sie Drangsal, Verfolgung und kriegerische Auseinandersetzungen erleben.

 

Die 70. Woche wird in Daniel 9,27 wie folgt geschildert: »Und er wird mit den Vielen einen festen Bund schließen eine Woche lang; und in der Mitte der Woche wird er Schlacht- und Speisopfer aufhören lassen, und neben dem Flügel werden Gräuel der Verwüstung aufgestellt, und zwar bis die fest beschlossene Vernichtung sich über den Verwüster ergießt.«

Manche Ausleger, die die 70 Wochen mit völlig anderen Zeitangaben deuten, meinen, dass dieser Vers bereits im Jahre 168 v.Chr. erfüllt wurde, als unter Antiochus IV. Epiphanes der Tempel entweiht wurde. Im Allerheiligsten wurde u.a. ein Schwein geschlachtet, eine Zeusstatue aufgestellt und der Jahwekult abgeschafft.9 Doch wenn dem tatsächlich so wäre, warum hat Jesus in seinen Endzeitreden dann noch auf den kommenden »Gräuel der Verwüstung« verwiesen?

Die Zerstörung des Tempels und Jerusalems im Jahr 70 kann auch nicht zur 70. Woche gerechnet werden, da ansonsten das Königreich für Israel jetzt schon bestehen würde.

 

Diese 70. Woche sollte den Abschluss bilden und zugleich die Zeit der Erlösung Israels einläuten. Die jüdischen Gelehrten kannten sich mit symbolischen Zahlenangaben gut aus und haben immer mitgerechnet. Sie wussten, dass zurzeit Jesu die 70 Wochen nahezu um waren. Deshalb gab es unter den Juden eine große Erwartung auf den Messias, der das verheißene Königtum für Israel wiederherstellen würde. Aber diese Erwartung hat sich bis heute nicht erfüllt.

 

Die 70 Wochen in Daniel bestehen aus zwei Zeitabschnitten: 7 plus 62 Wochen und darauf folgt dann noch eine Woche. Die ersten 69 Wochen laufen lückenlos hintereinander ab. Es wird aber nicht gesagt, dass sich die letzte Woche direkt an die 69. Woche anschließt. Gott hat zwischen der 69. und 70. Woche sozusagen einen Schnitt im Zeitstrahl gemacht und das Gemeindezeitalter eingefügt.

 

Über die Zeit der Gemeinde gibt es in den Schriften des Alten Testaments nicht den geringsten Hinweis, es war ein Geheimnis. Deshalb ging die jüdische Rechnung nicht auf, der erhoffte König würde in den ersten Jahrzehnten n.Chr. kommen und das Reich für Israel wieder aufrichten. Das wird erst geschehen, wenn die Zeit der Gemeinde vorüber ist.Am Ende der Zeit wird Gottes Fokus wieder stärker auf Israel liegen. Er wird ihre Sammlung aus den Völkern und die Heimkehr in ihr Land initiieren, bis hin zur endgültigen Wiederherstellung.

 

In seinen Endzeitreden erzählte Jesus auch das Gleichnis vom Feigenbaum.10 Der Feigenbaum war den Zuhörern damals als Symbol für Israel bekannt.11 Schon vorher in Lukas 13,6-9 bezog sich Jesus mit einem anderen Gleichnis vom Feigenbaum zweifellos auf Israel. So können wir davon ausgehen, dass er auch diesmal das jüdische Volk meinte, als er sagte: »Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon saftig wird und Blätter treibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So auch ihr, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so erkennt, dass er nahe vor der Türe ist« (Mk 13,28-29).

 

Wenn der Feigenbaum, also Israel als Nation wieder zu neuem Leben kommt, »… so erkennt, dass das Reich Gottes nahe ist« (Luk 21,31). In den letzten Jahrzehnten begannen die Juden zunehmend sich ihrer alten Heimat zu besinnen und dorthin zurückzukehren. 1947 wurde der Staat Israel gegründet. Das ist wie ein moderner Exodus und einmalig in der Geschichte.

 

In Jesaja 11,12 heißt es: »Und er wird für die Heidenvölker ein Banner aufrichten und die Verjagten Israels sammeln und die Zerstreuten Judas zusammenbringen von den vier Enden der Erde.« Prophetien sind nicht immer leicht zu verstehen. Manchmal liegen zwischen den Vorhersagen in nur wenigen Versen und deren Erfüllung lange Zeiträume, wie z.B. in Jesaja 9,5-6: »Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben … die Mehrung der Herrschaft und der Friede werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich …«. Manchmal ist auch eine mehrfache Erfüllung möglich. Denken wir nur an Joel 3,1: »Und nach diesem wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch …«. Diese Prophetie wurde zu Pfingsten vor 2000 Jahren erfüllt. Sie wird aber nochmals erfüllt, und zwar »nach diesem«, was in Kapitel 2 beschrieben ist.

 

Andere Prophetien werden durch lange Zeiträume hindurch erfüllt, wie die Rückkehr der Juden in ihr Land. Ich glaube, dass dieses Banner, von dem Jesaja sprach, sich nicht nur auf das Friedensreich bezieht, sondern auch die gegenwärtige Rolle Israels auf der Weltbühne meint. An diesem Banner können wir uns orientieren. Unter anderem auch an Israel können wir erkennen, dass »er nahe vor der Tür ist. Eines Tages kommt Jesus tatsächlich wieder. Dann wird er auf seinem Thron in Zion sitzen, und das verheißene Königreich Davids wieder errichten. So wird Israel schließlich (wieder) zum Segen für alle Völker.

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1 Epheser 3,12

2 1.Mose 12,3; 26,4; 28,14; Jeremia 4,2

3 5.Mose.4,5-8; 1.Könige 10,1-9; Lukas 11,31

4 Psalm 67,2-3

5 5.Mose 4,27-31; 28,64ff.; Jesaja Kap.11, 43, 52, 62; Jeremia 3,16, Kap.24 u. 30-32; Hesekiel Kap. 36-47; Joel und Sacharia

6 Lexikon zur Bibel, Fritz Rienecker; Genfer Studienbibel

7 Sacharia 9,9-10

8 Klammer vom Autor eingefügt

9 Lexikon zur Bibel, Fritz Rienecker

10 Matthäus 24,32-35; Markus 13,28-31; Lukas 21,29-33

11 z.B. aus Jeremia 24,1-10

 

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