Urne oder Sarg?

Autor: Markus Rex

 

Die Kultur der westlichen Welt ist durch die Jahrhunderte sehr stark von kirchlichen Traditionen geprägt worden. Das betrifft auch die Bestattung bzw. die Beerdigungszeremonie. Lange Zeit galt die Beerdigung in einem Grab als die normale und einzig richtige Form, ohne hinterfragt zu werden. Erst mit zunehmendem Säkularismus wurden neue Möglichkeiten der Bestattung aufgegriffen, mit denen sich die Gemeinden auseinandersetzen sollten. Dabei geht es hauptsächlich um die Frage, ob ein gläubiger Christ beerdigt werden muss oder ob auch eine Feuerbestattung erlaubt ist.

Bei den vielen Anfragen und meinen Recherchen diesbezüglich wurde ich mit folgenden Argumenten für eine Beerdigung konfrontiert, um die es im Wesentlichen in diesem Lehrbrief gehen soll: A) Mit Feuer verbrannt zu werden, war zu biblischen Zeiten eine Schande. B) Eine Beerdigung muss würdevoll sein. C) Die Erdbestattung ist für die Auferstehung von Bedeutung.

 

Obwohl es auch Indizien für Feuerbestattungen gibt1, berichtet die Bibel eigentlich nur von Beerdigungen, also dass die Verstorbenen in ein Grab gelegt wurden. Das handhaben alle semitischen Völker bis heute so. Mose wurde sogar von Gott selbst begraben. Die Juden und auch die Christen berufen sich dabei auf die Schriftstelle: »… bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen. Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren!« (1 Mo 3,19). Der tote Körper soll der Erde zurückgegeben werden und sich langsam wieder in seine ursprünglichen Bestandteile zersetzen. Das Verbrennen wird als ein widernatürlicher Eingriff und als eine unerlaubte Beschleunigung in diesen Zerfallsprozess angesehen.

 

Soweit erst einmal diese Begründung für eine Beerdigung. Was bringt nun Gläubige dazu, sich trotzdem für die Feuerbestattung zu entscheiden? Ausschlaggebend für diese Überlegung ist größtenteils die Kostenfrage. Beerdigungen durch Bestattungsunternehmen werden auch durch gesetzliche und kommunale Vorgaben immer teurer. Für jemanden, für den Geld keine Rolle spielt, ist das vielleicht kein Argument. Es gibt aber genügend »kleine« Leute, die sich genau überlegen, ob sie ihr Gespartes für eine großzügige und teure Beerdigung verwenden wollen. Oder ob sie ihre Bestattungskosten nicht besser so klein wie möglich halten, damit für ihre Familie noch etwas übrigbleibt.

 

Urne oder Sarg? Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass wir weder im AT noch im NT genaue Anweisungen dazu finden, auf welche Weise jemand bestattet werden soll. Es werden lediglich die damals üblichen Bestattungszeremonien beschrieben. Auch der Vers in 1 Mose 3,19 »… bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen. Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren!« ist genau genommen keine Anweisung für die Beerdigung. Es wird nur der Werdegang alles »Fleisches« aufgezeigt.

 

Beim Bibelstudium müssen wir sorgfältig auseinanderhalten, was berichtet wird bzw. was zu biblischen Zeiten gebräuchlich war und wo etwas zu tun geboten wird. Im alten Israel war es auch üblich, die Verstorbenen noch am selben Tag und ausdrücklich ohne Sarg sondern in Tücher gewickelt zu beerdigen. Das ist in Deutschland wegen bestimmter Verordnungen kaum möglich. Obwohl z.B. Moslems trotzdem darauf bestehen, werden Christen hingegen selbstverständlich in einen Sarg gelegt.

Wenn also eine bestimmte Art von Bestattung wirklich so wesentlich für uns wäre, warum haben wir dann keinerlei spezifische Anordnungen dafür in der Bibel?

 

Als ein weiterer Beleg für die Beerdigung wird angeführt, dass es zu biblischen Zeiten eine Strafe war, bestimmte Übeltäter zu verbrennen2: »Und wer im Besitze des Gebannten erfunden wird, den soll man mit Feuer verbrennen …« (Jos 7,15). Außerdem hat Gott oftmals in Form von Feuer gerichtet3: »… Als der HERR das hörte, entbrannte sein Zorn, und das Feuer des HERRN brannte unter ihnen und verzehrte das Ende des Lagers« (4 Mo 11,1). Weiterhin war das Verbrennen eine von Gott abgelehnte heidnische Sitte: »… und ließen ihre Söhne und ihre Töchter durchs Feuer gehen … was böse war in den Augen des HERRN …« (2 Kö 17,17).

 

Ist das bloße Verbrennen der Toten wirklich böse in den Augen des Herrn, wie es in 2 Könige 17,17 heißt? Im Kontext geht es nämlich hierbei nicht um eine Bestattungszeremonie, sondern um heidnische Götzendienste, bei denen Menschenopfer dargebracht wurden. Und dagegen ist Gott selbstverständlich eingestellt.

An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass es noch viele andere Bestattungsformen gibt, die heutzutage möglich sind. Manche entspringen einem esoterischen Gedankengut und individualistischen Philosophien. Jeder Gläubige sollte sich in allem, einschließlich der Bestattungsart, fragen, was sein Motiv dafür ist. Für uns sollte gelten, dass Gott durch uns verherrlicht wird, egal ob wir leben oder sterben (und bestattet werden)4.

 

Ist das Verbrennen mit Feuer im Zusammenhang von Gericht und Strafe nun ein Hinweis darauf, dass eine Feuerbestattung den Gläubigen nicht erlaubt ist? Es geht hier doch um Strafe und nicht um eine Bestattungsform. Diese Strafe beinhaltete, dass es für diese Leute hinterher überhaupt kein Grab und somit kein Andenken gab.

Eine Beerdigung hat immer den Zweck, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen und von ihm Abschied zu nehmen. Eine Grabstätte hilft, ein würdiges Gedenken an den Verstorbenen zu bewahren. Es galt damals als Schande, kein ordentliches Grab zu haben und damit vergessen zu werden5: »… niemand wird sie beklagen noch begraben, sondern sie sollen zum Dünger auf dem Felde werden … und ihre Leichname sollen eine Speise der Vögel des Himmels und der Tiere des Feldes werden« (Jer 16,4).

Bei einer Feuerbestattung wird heutzutage die Urne beigesetzt. Es gibt also ein »Grab« bzw. einen Ort des Gedenkens. Eine Feuerbestattung kann somit für alle Beteiligten genauso würdevoll sein, wie eine Beerdigung.

 

Als eine weitere Begründung für die Beerdigung wird die Auferstehung der Toten angeführt. Schließlich werden ja nur die, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören. »… es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und sie werden hervorgehen: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens …« (Joh 5,28-29). Außerdem vergleicht Paulus in 1 Korinther 15 unsere Auferstehung in einem verherrlichtem Leib mit dem Säen eines Weizenkorns in die Erde. In Vers 44 heißt es dann: »… es wird gesät ein natürlicher Leib, und es wird auferweckt ein geistlicher Leib …«. Aber Samen, der verbrannt wird, bringt nun mal kein neues Leben hervor.

 

Die Hoffnung auf den Himmel und auf die Auferstehung der Toten hat die Beerdigungskultur am meisten beeinflusst. In der kirchlichen Tradition entstand die Vorstellung, dass nur die Seelen von unversehrten Leichnamen daran Anteil hätten. Deshalb wurden Ketzer auch verbrannt (oftmals bei lebendigem Leibe), um ihnen das ewige Seelenheil zu verwehren.

 

Der rechtschaffende Gläubige wurde auf dem Kirchenfriedhof, sozusagen auf heiligem Boden, beerdigt. Dabei war jeder bestrebt, sein Grab so dicht wie möglich am Altar zu haben. Wohlhabende Leute konnten es sich leisten, in einer Gruft direkt unter dem Altarraum bestattet zu werden. Es wurde angenommen, dass nur diejenigen, die in der geweihten Erde liegen, an der Auferstehung Anteil hätten und wer dichter am Altar liegt, wäre eher dabei. Deshalb wurden Verbrecher (und solche, die dafür gehalten wurden) außerhalb der Friedhofsmauern beerdigt. Es war schändlich, kein Grab auf dem heimatlichen Kirchenfriedhof zu haben.6

 

Manche Gläubige vertreten die Meinung, dass die »richtige« Bestattungsart ihnen irgendeinen Vorteil bei der Auferstehung bringen würde. Eine falsche Bestattung hingegen würde irgendwelche Nachteile haben und ihren Lohn im Himmel schmälern. Sie meinen, ihr Licht würde dann in der Ewigkeit weniger hell leuchten7.

Was sagt die Bibel dazu? Allein der Glaube an Jesus entscheidet darüber, wer bei der Auferstehung (und Entrückung) dabei ist8: »Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus mit ihm führen« (1 Thess 4,14).

 

Wie wir leben, hat einen großen, wenn nicht den einzigen Einfluss auf unseren Lohn in der Ewigkeit. An vielen Stellen im Neue Testament ist die Rede von Heiligung, christlichen Tugenden und unserem Dienst für Gott – und was für einen Lohn das nach sich zieht: »Darum suchen wir auch unsere Ehre darin, dass wir ihm wohlgefallen … denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder das empfängt, was er durch den Leib gewirkt hat, es sei gut oder böse« (2 Kor 5,9-10). Ob hingegen die Bestattungsart einen Einfluss darauf hat, können wir aus bestimmten Bibelversen hingegen nur sozusagen um drei Ecken herum, wenn überhaupt, herauslesen.

 

Urne oder Grab? Wir sollten dieser Thematik nicht gleichgültig gegenüberstehen, sondern uns ernsthaft damit auseinandersetzen. Allerdings gibt dazu keine wirkliche biblisch begründete Lehre. Manche leiten aus bestimmten damaligen Handlungen für uns verbindliche Prinzipien ab und sie halten die Art wie sie einmal bestattet werden für sehr wesentlich für das christliche Zeugnis. Andere halten sich eher daran, was explizit ausgesagt wird und kommen so zu anderen Schlussfolgerungen. Was eine angemessene und würdevolle Bestattung ist, muss am Ende jeder für sich selbst festlegen, sollte aber auch die anderen mit ihrer Entscheidung stehen lassen können.

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1 1 Samuel 31,12-13; Amos 6,10

2 Siehe auch: 3 Mose 20,14; 21,9; Josua 7,25

3 Siehe auch: 3 Mose 10,2; Jesaja 66,16; Amos 7,4

4 Philipper 1,20

5 Siehe auch: Jeremia 25,33

6 vergl. dazu Prediger 8,10

7 vergl. 1 Korinther 15,41-42

8 Siehe auch: 1 Korinther 15,16-23

 

Monat 10-2014 wugffo.de