Offenbarungserkennntnis

Autor: Markus Rex

 

Gott möchte, dass der Mensch, nachdem er gerettet ist, zur Erkenntnis der Wahrheit kommt. Im ersten Timotheusbrief heißt es: »… und [zunehmend] die [göttliche] Wahrheit bemerken, erkennen, unterscheiden und verstehen« (1 Tim 2,4 AMP).

In der Schule werden die Kinder von Lehrern unterrichtet. Gute Lehrer allein reichen aber nicht aus. Bei den Kindern wird eine gewisse geistige Reife vorausgesetzt, und man erwartet, dass sie aufnahmebereit sind. Sie sollen ja nicht nur ihre Zeit absitzen, sondern den Lehrstoff begreifen. Früher oder später sollte bei jedem der Groschen fallen.

Um die Wahrheit in Gottes Wort tiefgründig zu erkennen, benötigen wir neben dem Heiligen Geist als göttlichen Lehrer auch Offenbarung im Geist und Erleuchtung im Verstand. Wir können darum genauso beten, wie es Paulus für die Gläubigen in Ephesus getan hat:

 

Epheser 1,17
… dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch [den] Geist der Weisheit und Offenbarung gebe in der Erkenntnis seiner selbst …

 

Was Paulus hier durch den Heiligen Geist für die Epheser betete, ist Gottes Wille für jeden Gläubigen. Beachten wir einmal die Worte: Weisheit, Offenbarung, Erkenntnis, erleuchtete Augen des Herzens. Gott möchte, dass jeder von uns diese Dinge erfährt; deshalb sollte unser Bibelstudium von solchen Gebeten begleitet sein.

 

Paulus hatte die Gemeinde in Ephesus gegründet und die Gläubigen dort etwa zwei Jahre lang gelehrt. Er selbst hatte das Evangelium in seiner vollen Bedeutung direkt vom Herrn durch Offenbarung empfangen und vermittelte das den Heiligen mündlich und in seinen Briefen schriftlich weiter. Er war einer der Apostel und Propheten, die das Fundament für das Christentum legten (Eph 2,20). Er gab also nicht etwas Gehörtes und Angelerntes weiter, sondern hatte selbst volle Einsicht in das Geheimnis Christi und wusste, was er sagte (Eph 3,4). Die Gläubigen in Ephesus hatten somit einen erstklassigen Lehrer. Trotzdem schrieb er ihnen nur einige Jahre später, dass er für sie betet, damit zu ihrem Wissen auch das Verständnis kommen möge. Um zu wahrhafter Erkenntnis zu gelangen, wird offensichtlich mehr benötigt, als nur bloßes Kopfwissen vermittelst zu bekommen.

Weil wir heut genauso den »Durchblick« in geistlichen Dingen brauchen wie die Gläubigen in Ephesus, sollten wir auch in gleicher Weise für uns selbst beten. Deshalb wollen wir das oben angesprochene Gebet noch etwas eingehender betrachten.

 

Zunächst wird der Geist der Weisheit erwähnt. In der Bibel, vor allem in den Sprüchen, wird der Weisheit die Torheit gegenübergestellt. Wenn wir also herausfinden, was Torheit ist, können wir leichter den Begriff »Weisheit« erklären. Als töricht wird ein Mensch bezeichnet, der Kenntnis von Dingen oder Abläufen hat und weiß, was er daraufhin eigentlich tun sollte, und es trotzdem unterlässt. Der Weise dagegen handelt nach der Erkenntnis, die er hat. Vereinfacht ausgedrückt könnten wir sagen: Weisheit ist angewandte Erkenntnis. Wir sollten also dahin kommen, das aus dem Worte Gottes Gelernte im Leben und Alltag anzuwenden.

 

Weisheit, griech. sophia, bedeutet unter anderem auch Lebensklugheit oder einfach verständig sein. Die Formulierung »den Geist der Weisheit« heißt im Grundtext nur »Geist Weisheit«, was eine in unserem Geist gewirkte Weisheit oder einfach geistliches Verständnis meint. So drückte es Paulus in seinem Gebet für die Kolosser aus:

 

Kolosser 1,9
Deshalb hören wir auch seit dem Tag, da wir es vernommen haben, nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht …

 

Bei der Erforschung göttlicher Geheimnisse stößt unser natürlicher Verstand an bestimmte Grenzen, wie beispielsweise bei der jungfräulichen Geburt oder der Auferstehung der Toten. Akzeptieren wir aber, dass es auch jenseits unseres Verstandes noch Realitäten gibt, können wir es mit unserem Geist im Glauben erfassen und erkennen die Größe Gottes ein Stöckchen mehr. Wir können Gott uns sein Wort nicht allein mit dem natürlichen Verstand begreifen.

 

Um geistliche Dinge zu beurteilen, benötigen wir geistliches Verständnis. So brauche wir ja auch für natürliche Dinge einen gesunden Menschenverstand und Urteilsfähigkeit. Andernfalls könnte man uns alles mögliche weismachen. Allein durch Statistiken könnt man zu fragwürdigen Schlussfolgerungen kommen. So wurde zum Beispiel einmal scherzhaft festgestellt, dass die jeweilige Zahl der Studenten in Budapest abhängig ist vom Wasserstand der Donau. Jeder normal denkende Mensch merk sofort, dass es so nicht ganz stimmen kann. Vielmehr wurden zwei Tatsachen zusammengefügt, die in keinem Verhältnis zueinander stehen. In der trockenen Sommerzeit nämlich geht der Wasserstand der Donau zurück und zu selben Zeit sind gerade Semesterferien, was wiederum zur Folge hat, dass sich in Budapest nur wenig Studenten aufhalten. Nur weil zwei oder mehrere Ereignisse zur selben Zeit stattfinden, stehen sie noch nicht in einer Beziehung zueinander. Sie trotzdem zusammenzufügen wäre schlichtweg unvernünftig.

 

Was nun die geistlichen Dinge betrifft, benötigen wir genauso ein klares und gesundes Verständnis. Genau das aber wird beispielsweise im Buch Jesaja bei den Israeliten bemängelt. Im 44. Kapitel wird beschrieben, wie sie ihre Götzenbilder selbst herstellten, ohne dabei z bedenken, dass es doch nur leblose Gegenstände sind und dass ihre Anbetung nichts als leere Foramen sind. Dabei sind sie so verblendet, dass der Herr ihnen jegliche gesunde Urteilskraft abspricht: »Sie erkennen und verstehen es nicht … (Jes 44,18-19).

 

Auch heute wird mancherorts vielfach auf Selbstgemachtes zurückgegriffen, teils aus Gewohnheit oder weil es sich gut anfühlt. Im Vers 6 sagt Gott ihnen: »Außer mir ist kein Gott.« Er ist der lebendige Gott, der uns hört, und der einzige Gott, der überhaupt nur helfen kann. Wir sollten uns an ihn wenden und nicht auf selbstgemachte Formen vertrauen. Keine Gemeindestruktur und kein noch so gutes Gottesdienstprogramm hat Leben in sich selbst. Wir sollten genug Sinn und Verstand haben, die Gemeinschaft mit Gott nicht mit äußerlichen Förmlichkeiten zu verwechseln oder gar einzutauschen.

 

Petrus schrieb über die Briefe des Paulus: »… wie auch unser geliebter Bruder Paulus euch geschrieben hat nach der ihm gegebenen Weisheit, so wie auch in allen Briefen, wo er von diesen Dingen spricht. In ihnen ist manches schwer zu verstehen …« (2 Petr 3,15-16). Wahrscheinlich hatte Petrus in manchen Bereichen noch nicht die Einsicht, die Paulus hatte.

 

Gott sagt uns in Jesaja 55,8-9:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR; sondern so hoch der Himmel über der Erde ist, so viel höher sind meine Wege als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.

 

In der Bibel hat Gott seine Gedanken in Worte gefasst. Unser menschlicher Verstand ist aber zu klein, das alles zu fassen. Würden wir versuche, Gottes Wort auf unser intellektuelles Niveau herunterzuholen, gäbe es zum Beispiel keine Wunder mehr in der Bibel, denn so etwas ist nicht zu erklären.

In Römer 11,33-34 heißt es: »O welche Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Gerichte, und wie unausforschlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?«

Nur mit dem verständigen Sinn Christi können wir das Unergründliche erahnen. Jesus sagte seinen Jüngern: »Euch ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu erkennen, denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil.« (Mark 4,11).

 

Sehen wir uns zum Beispiel Paulus an. Er wurde in Jerusalem von Gamaliel in der Schule der Pharisäer unterrichtet. Heute würden wir sagen, er hat Theologie studiert. Er kannte die Schriftrollen des Alten Testamentes, in denen von Christus die Rede ist, in- und auswendig. Aber er hat den Messias genauso wenig erkannt wie die anderen Schriftgelehrten und Pharisäer. Erst nach seiner Bekehrung ging ihm ein Licht auf, und er bewies, eben aus den diesen Schriften, dass Jesus der verheißene Christus ist. Was für ihn vorher einfach nicht zu begreifen war, konnte er jetzt klar sehen.

Genauso erging es den Jüngern Jesu. Drei Jahr lang hörten sie seinen Worten zu, aber verstanden haben sie sie oftmals nicht (Luk 9,45). Erst nach seiner Auferstehung und als ihr Geist erneuert worden war, konnten sie bestimmte Aussagen fassen (Luk 24,45).

 

Genauso kann auch unser Verständnis für die Schrift geöffnet werden, wenn wir uns in das o.g. Gebet einschließen, das Paulus für die Gemeinde Ephesus betete.

Neben geistlichem Verständnis betete Paulus um Offenbarung zur Erkenntnis. Für Erkenntnis gibt es zwei Begriffe im Griechischen. Einmal gnosis als einfache Kenntnis von Dingen und epi-gnosis. Letzteres steht hier im Test und heißt wörtlich: »in Erkenntnis hinein«, d.h., eine genaue oder tiefe Erkenntnis von etwas haben.

 

Der normale Autofahrer zum Beispiel kennt sein Auto mit Gnosis. Er weiß, wo der Tankdeckel ist, wo er den Ölstand misst und vielleicht noch, wie er die Zündkerzen überprüft. Bleibt er irgendwo auf halber Strecke stehen und versucht sein Auto zu reparieren, stößt er sehr bald an seine Grenzen. Jetzt bräuchte er epi-gnosis, genaue Kenntnis der technischen Zusammenhänge, wie sie der Automechaniker hat.

 

Es genügt nicht, dass wir nur ein oberflächliches Bibelwissen haben, sondern sollten bestimmte Zusammenhänge und deren Bedeutung für uns erkennen. Dazu brauchen wir Offenbarung. Im Grunde benötigen wir Offenbarung, damit wir geistliche Dinge überhaupt erfassen können.

 

Jesus sagte von den Juden seiner Tage, dass sie zwar mit ihren Ohren hören, aber den Sinn doch nicht verstehen. Dass sie mit den Augen zwar äußerlich etwas sehen, aber ihnen das Eigentliche verborgen bleibt (Matth 13,14-15).

So kann man eine Fremdsprache zwar akustisch hören, den Sinn und Inhalt dennoch nicht verstehen, wenn man sie nicht gelernt hat. Oder man schaut sich etwas an und erkennt nicht, was sich eigentlich drin verbirgt, wie bei einem 3D-Bild. Man sieht es zwar und kann es haargenau beschreiben, wenn man aber nicht den richtigen »Durchblick« hat, nimmt man das plastische Bild darin nicht wahr.

Auch die Schrift wird uns in Römer 6,17 als »Bild der Lehre« vorgestellt, das wir erfassen sollen. Um eine Tiefenwirkung zu erreichen, brauchen wir Offenbarung, ohne die wir uns nur an der Oberfläche des Wortes bewegen.

 

Offenbarung, griechisch apo-kalypsis, heißt »Enthüllung«. Etwas, das verborgen war, ist jetzt sichtbar geworden. Der Wortstamm kalymma heißt Decke oder Schleier. Die Vorsilbe apo besagt, dass die Decke weggenommen bzw. etwas enthüllt wurde. Das Wort Gottes muss also entdeckt oder enthüllt werden, wenn es nicht nur oberflächlich betrachtet werden soll.

 

Im 2. Korintherbrief wird uns gesagt, dass das Wort Gottes, zumindest aber das Alte Testament, wie mit einer Decke verhüllt ist.

 

2 Korinther 3,14-15 (RELB)
Aber ihre Sinne wurden verhärtet; denn bis zum heutigen Tage bleibt dieselbe Decke beim Lesen des Alten Testamentes, so dass sie nicht entdecken, dass sie in Christus weggenommen wird; sondern bis zum heutigen Tage, so oft Mose gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen. Sobald es sich aber zum Herrn bekehrt, wird die Decke weggenommen.

 

Einige Verse weiter kommt zum Ausdruck, dass auch das Evangelium, nämlich das Neue Testament, bei gewissen Menschen verhüllt sein kann.

 

2 Korinther 4,3
Ist aber unser Evangelium verhüllt, so ist es bei denen verhüllt, die verloren gehen …

 

Es gibt also so etwas wie eine Decke zwischen der Wahrheit Gottes und dem Erkennen der Wahrheit. Wer jedoch zu Christus gehört, hat die Möglichkeit, unter die Decke zu schauen. Die verborgenen Geheimnisse des Reiches Gottes werden für den Gläubigen gelüftet, wenn er danach strebt.

 

(Dieser Lehrbrief ist ein Auszug aus dem Buch »Durchblick – Gottes Wort studieren, verstehen und lieben lernen«)

 

Monat 07-2013 wugffo.de