Verpackung versus Inhalt

Autor: Markus Rex

 

Gemeinden stehen heute vor großen Herausforderungen. Einerseits wollen und müssen sie das Evangelium den Menschen nahe bringen und andererseits dürfen sie ihre Glaubensinhalte nicht aufgeben. Es geht darum, zeitgemäße Gemeinden zu etablieren, ohne den Zeitgeist zu importieren. Wir sollten moderne Medien verwenden, um die Menschen unserer Zeit mit dem Evangelium zu erreichen, aber wir dürfen an den biblischen Glaubensgrundlagen und den christlichen Werten keine Abstriche machen. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen der »Verpackung« und dem Inhalt zu halten. Dass auch die ersten Gemeinden schon vor dieser Herausforderung standen, sehen wir zum Beispiel im 1. Korintherbrief.

 

1 Korinther 2,1-5
So bin auch ich, meine Brüder, als ich zu euch kam, nicht gekommen, um euch in hervorragender Rede oder Weisheit das Zeugnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten. Und ich war in Schwachheit und mit viel Furcht und Zittern bei euch. Und meine Rede und meine Verkündigung bestand nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft.

 

Diesen Abschnitt müssen wir im Zusammenhang mit dem vorherigen Besuch des Apostels Paulus in Athen auf seiner zweiten Missionsreise sehen (Apg 17,15-34). Dort war er im Zentrum der damaligen Philosophie und menschlichen Weisheit. Die griechischen Gelehrten hielten große Stücke von sich und ihren weltanschaulichen Erkenntnissen. Sie stempelten Paulus als Schwätzer ab und betrachteten ihn als jemanden, der keine Ahnung von den wirklichen Sinnfragen des Lebens hat.

Bei seiner Rede auf dem Areopag hatte Paulus vielleicht versucht, sie mit »hervorragender Rede oder Weisheit« vom Evangelium zu überzeugen oder er wollte sie einfach nur auf ihrem Level abholen. Es gibt gute Argumente für beide Ansichten. Aber, ob so oder so, er hatte in Athen nur mäßigen Erfolg.

 

Im Anschluss an seine Missionstätigkeit in Athen war Paulus nun in Korinth angekommen. Vielleicht stand er noch ganz unter dem Eindruck, wie schwer es war, das philosophische Denken zu durchbrechen. Jedenfalls nahm er sich vor, nicht (wieder) in »überredenden Worten menschlicher Weisheit« das Evangelium zu verkündigen, sondern »in Erweisung des Geistes und der Kraft«.

Die Ausdrucksweisen im 1. Korintherbrief wie »Redeweisheit« (1,17), der »Wortgewaltige« (1,20), »hervorragende Rede« (2,1) oder »überredende Worte menschlicher Weisheit« (2,4), sind Synonyme für die damals weit verbreitete Kunst der Rhetorik.

 

In der damaligen Rhetorik gab es hauptsächlich drei Schwerpunkte: Ethik (Authentizität des Redners), Logik (sachdienliche Fakten) und Emotionen (Reaktion bei den Hörern). Wer immer Rang und Namen hatte, war darin geschult, seinen Argumenten nach aller Kunst der Rhetorik Ausdruck zu verleihen. Mit der Zeit entwickelte sich allerdings eine Kultur, in der es immer weniger darum ging, mit tatsächlichen Fakten zu überzeugen. Stattdessen zielte man mehr auf die Emotionen der Zuhörer ab, um sie so besser auf die eigene Seite ziehen zu können. So wurden in Gerichtsverhandlungen zum Beispiel die Familienangehörigen des Angeklagten vorgeführt, um Mitleid beim Richter und beim Volk zu erzeugen und so das Urteil abzumildern. Oder es wurde bei politischen Beschlüssen mehr darauf geachtet, wie spannend und ergreifend die Reden der verschiedenen Parteien waren, anstatt den wirklichen Inhalt zu untersuchen. In dieser Zeit gab es professionelle Redner, die die Politik und das gesellschaftliche Leben auf öffentlichen Plätzen kommentierten. Dabei ging es nicht wirklich um sachliche Information, sondern darum, dem Volk eine Unterhaltung zu bieten. Es tendierte mit seiner Meinung dann zu demjenigen, der am besten begeistern konnte, und nicht zu dem, mit den besten inhaltlichen Argumenten. Die damalige Kunst der Rhetorik können wir in einem gewissen Sinne mit den heutigen Medien vergleichen.

 

Eine gute Rhetorik bzw. Ausdrucksweise ist an sich nicht verwerflich, sondern gut und wird bis heute gebraucht und praktiziert. So sollte ja auch eine gute Predigt interessant und mitreißend für die Zuhörerschaft sein. Um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, dürfen durchaus auch zeitgemäße Musik und moderne Mittel wie zum Beispiel Videoclips oder Präsentationen verwendet werden. Trotz allem sind diese Medien aber lediglich die »Verpackung«, die sich mit der Zeit auch wieder verändern kann. Der eigentliche Inhalt ist, um im Kontext vom 1. Korintherbrief zu bleiben, das »Wort vom Kreuz«, »die Torheit (oder Einfachheit) der Predigt« und die »Erweisung des Geistes und der Kraft«. An diesem Inhalt dürfen wir keine Abstriche machen.

 

Wie anfangs schon erwähnt, besteht die Herausforderung darin, eine gute Balance zwischen der eigentlichen Botschaft und den Medien (also dem Inhalt und der Verpackung) zu behalten. Problematisch wird es dann, wenn zwischen beidem nicht mehr unterschieden wird und dadurch manchmal ganz oder teilweise der Inhalt mit der Verpackung ersetzt wird. Was es damit auf sich hat, will ich etwas genauer erläutern.

 

Wir leben heute weitgehend in einer »Spaßgesellschaft«, frei nach dem Motto: Erlaubt ist, was spaß macht. Die Leute sind immer weniger bereit, Unangenehmes auf sich zu nehmen, selbst wenn sie am Ende Nutzen daraus hätten. Der moderne Mensch will sofort genießen. In dem Bestreben, Nichtchristen in die Kirchen zu kriegen, werden Gottesdienste neu »verpackt«. Filmabende, Konzerte und andere Darbietungen werden angeboten, um es den Menschen so angenehm wie möglich zu machen. Aus Angst, die Besucher zu überfordern, darf die Predigt nicht zu lang sein, und damit überhaupt jemand zuhört, wird sie mit Musik oder einer Präsentation unterlegt. Selbst für Gläubige kommt manchmal der Unterhaltungswert einer Versammlung vor dem geistlichen Inhalt.

 

Ich betone noch einmal, dass alle diese (Unterhaltungs-) Medien an sich nicht schlecht sind. Aber es kommt darauf an, wann und in welchem Maß wir sie einsetzen. Für Paulus stellte sich jedenfalls die Frage, auf welche Art und Weise er die Korinther erreichen will, so dass sie errettet werden. Mit dem allgemein üblichen und unterhaltsamen Mittel der Rhetorik oder durch die Kraft Gottes.

 

1 Korinther 2,4-5
Und meine Rede und meine Verkündigung bestand nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft.

 

Paulus wollte weder, dass sich die Menschen zu ihm bzw. zu seinen Fähigkeiten bekehren, noch zu irgendeiner Menschenweisheit, was in unserer Zeit durchaus ein verlockendes Unterhaltungsprogramm sein kann. Er wollte, dass sie sich Christus zuwenden. Die Menschen sollten nicht nur sinnlich angesprochen und seelisch angerührt werden, sondern die tatsächliche lebensverändernde Kraft Gottes kennen lernen. Paulus wusste, dass das klare einfache Evangelium die Kraft Gottes zur Errettung ist (Röm 1,16) und das wollte er möglichst unverschnörkelt durch die »Torheit der Predigt« vermitteln.

 

Bei allem Beiwerk, das die äußeren Sinne anspricht, dürfen wir die Erweisung des Geistes bzw. die Salbung nicht vergessen. Nur Gott kann die Herzen erreichen und Menschen von innen heraus verändern. Manchmal halten uns äußere Dinge wie eine Lightshow oder Videoclips eher davon ab, von Gott zu hören, weil sie unseren Blick eher von Gott weg auf Äußerlichkeiten richten. Bei einer Verkündigung unter der Salbung des Heiligen Geistes wird die Zunge des Predigers zu einem Farbstift, mit dem er ein Bild zeichnet. Die Ohren der Zuhörer werden zu Augen, mit denen sie dieses Bild wahrnehmen. So spricht Paulus vom »Bild der Lehre« (Röm 6,17) und davon, dass »Jesus Christus als unter euch gekreuzigt vor die Augen gemalt worden ist« (Gal 3,1). Dieses innere Bild ist dann auch eindrücklicher und beständiger, als es die beste Präsentation je sein kann, die ja gewissermaßen nur eine »Auslegung« dessen ist, was Gott eigentlich ausdrücken möchte.

 

Leider sind nicht nur »weltliche« Menschen, sondern auch manche Gemeindeglieder so geprägt, dass sie mehr nach Äußerlichkeiten schauen und Gottesdienste mehr nach dem Unterhaltungswert beurteilen, als nach geistlichen Inhalten. Einige Gemeindeglieder in Korinth standen so sehr auf der Redekunst (durch die sie unterhalten werden), dass sie Paulus für einen miserablen Prediger hielten. Sie haben so sehr eine künstlerische Rede erwartet, dass ihnen die Erweisungen des Geistes und der Kraft in seiner Verkündigung entgangen sind. Paulus hingegen wollte sie nicht nur emotional begeistern, sondern ihr innerstes Verändern – und das geht nur durch die echte Kraft Gottes.

 

Um es noch einmal zu sagen, ansprechende Gottesdienste mit modernen Medien und guter Musik sind völlig in Ordnung solange der eigentliche Inhalt dadurch nicht vernachlässigt, sonder betont wird. Zu allen Zeiten standen die Christen in diesem Konflikt zwischen ihrem »Fleisch« und dem Geist, zwischen dem, was ihnen gefällt und dem, was Gott eigentlich möchte. Geistliche Dinge wie Bibellesen, Beten, eine Predigt hören u.ä. sind dem »Fleisch« langweilig. Aber das sind die Dinge, aus denen wir leben und die uns stärken.

 

Monat 08-2014 wugffo.de