Der Zehnte

Autor: Markus Rex

 

Manche Christen können mit dem Zehnten nicht viel anfangen und wollen sich auch gar nicht damit beschäftigen, weil es ihnen unangenehm ist. Weil die Bibel aber sowohl im Alten, als auch im Neuen Testament darauf eingeht, sollte jeder Gläubige sich mit diesem Thema auseinandersetzen und daraufhin entscheiden, wie er sich diesbezüglich verhalten will.

 

Zuerst soll es um die Frage gehen, ob der Zehnte noch zeitgemäß bzw. noch passend für Gläubige des Neuen Bundes ist. Im Gesetz Moses für das Volk Israel finden wir viele detaillierte Vorschriften darüber. »Aber wir leben ja schließlich nicht mehr unter dem Gesetz«, wird bezüglich des Zehnten oft argumentiert. Ja, das stimmt. Deshalb lasst uns den Ursprung des Zehntengebens erforschen.

Die Bibel nennt den Zehnten zuerst bei der Begegnung zwischen Abraham (vormals Abram) und Melchisedek.

 

1 Mose 14,18-20

Aber Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein herbei. Und er war ein Priester Gottes, des Allerhöchsten. Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Abram von Gott, dem Allerhöchsten, dem Besitzer des Himmels und der Erde! Und gelobt sei Gott, der Allerhöchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat! Und Abram gab ihm den Zehnten von allem.

 

Woher wusste Abraham von dem Zehnten? Das Gesetz gab es zu seiner Zeit noch nicht und auch sonst war noch kein Buch geschrieben worden, das den Willen Gottes offenbarte. Die einzige Offenbarung über das Wesen Gottes geschah zu jener Zeit durch Überlieferung. Adam und Eva erzählten ihren Kindern, Enkelkindern und Urenkeln vom Garten Eden und diese erzählten ihren Kindern weiter, wer Gott ist und was ihm gefällt bzw. nicht gefällt. So wusste zum Beispiel Abel, welches Opfer Gott angenehm ist. Alle Naturvölker hatten bzw. haben eine Ahnung von einem Blutbund. In allen Erdteilen gibt es Erzählungen von einer großen Flut. Joseph brauchte kein schriftliches Gesetz, um zu wissen, dass Ehebruch vor Gott Sünde ist.

So war es auch mit der Kenntnis über den Zehnten. Ihn zu entrichten war nicht nur beim Volk Israel, sondern auch in vielen anderen Kulturen gegenüber ihren Königen bzw. Priestern gängige Praxis. Woher wussten die anderen Völker davon und warum gerade zehn Prozent? Irgendwie muss es mit dem Wesen Gottes, und damit, dass wir nach seinem Bild erschaffen sind, zu tun haben. Wir können davon ausgehen, dass der Zehnte in Gott selbst begründet liegt.

 

Zurück zu Abraham. Er kann dem Priester Melchisedek den Zehnten nicht wegen Forderungen des Gesetzes gegeben haben, denn das Gesetz kam erst 430 Jahre später in Kraft. Er gab ihn aufgrund seines Glaubens an Gott. Das Neue Testament verweist uns auf die Tatsache, dass nicht nur die Juden, sondern auch wir »Heiden« durch den Glauben an Jesus Christus Abrahams Nachkommen geworden sind und in den gleichen Fußstapfen des Glaubens wandeln, den Abraham hatte.1 Das heißt, auch wir sollten den Zehnten geben, und zwar aus Glauben und nicht wegen des Gesetzes.

 

Manche Leute argumentieren damit, dass wir im Neuen Testament nirgendwo explizit aufgefordert werden den Zehnten zu geben, stattdessen sollten Christen generell großzügig im Geben sein. Das ist zwar richtig, aber was ist denn großzügiges Geben? Vielleicht gibt so mancher Gläubige unbewusst den Zehnten, weil er zehn oder mehr Prozent seines Einkommens christlichen Einrichtungen spendet. Einige habe ich aufgrund dieses Argumentes konkret gefragt, wie viel sie denn in ihrer Großzügigkeit geben, worauf sie sich gewunden haben wie ein Aal und eine Antwort schuldig blieben. Derlei Erklärungen klingen sehr fromm, sind aber oft nur Ausreden.

Außerdem wurde auch schon der Vorwurf erhoben, insbesondere Pastoren von Freikirchen würden den Zehnten deshalb so betonen, um ihr Einkommen zu sichern. Ich kann jetzt nicht lang und breit auf die Struktur einer neutestamentlichen Gemeinde eingehen und wovon die Prediger bzw. die Dienstgaben leben sollen, weil das den Rahmen sprengen würde. Wer aber meint, seine Gemeinde würde sich an seiner Spende nur bereichern wollen (oder wer zu keiner »richtigen« Gemeinde gehört), kann seinen Zehnten ja immer noch in Missionswerke geben.

 

Der Hebräerbrief stellt Melchisedek als ein Typus für Christus dar. An fünf Stellen heißt es, dass Jesus ein Priester nach der Weise bzw. nach der Ordnung Melchisedeks geworden ist.2 Bezüglich des Zehnten ist besonders der Abschnitt in Hebräer 7,1-8 wichtig. Darauf geht Manfred Roth in seinem Buch »Zum Leben zu wenig …« ausführlich ein und liefert so einen Beweis für die Gültigkeit des Zehnten auch für den Neuen Bund.

 

»… Um diesen Zusammenhang in seiner vollen Bedeutung zu verstehen, müssen wir herausfinden, worin die «Ordnung Melchisedeks» im Einzelnen bestand bzw. besteht. Dabei sollten wir uns nicht auf Spekulationen einlassen, sondern müssen streng nach dem gehen, was die Bibel an Informationen enthält. Wir finden folgende zwölf Punkte:

 

1) Er war König von Salem (dem heutigen Jerusalem)

2) Sein Name bedeutet «König der Gerechtigkeit»

3) Sein Name bedeutet auch «König des Friedens»

4) Er war ohne Vater und ohne Mutter

5) Er war ohne Geschlechtsregister

6) Er hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens

7) Er brachte Brot und Wein heraus

8) Er war Priester Gottes, des Höchsten

9) Er segnete Abraham

10) Er gleicht dem Sohn Gottes

11) Er bleibt Priester für immer

12) Er empfing den Zehnten

 

Da Christus fünf Mal im Hebräerbrief ein Priester nach eben dieser Ordnung genannt wird, kann das doch eigentlich nur bedeuten, dass alle Merkmale dieser Ordnung auch auf den einen wahren Priester, Jesus Christus, zutreffen!

 

1) Jesus ist der König des neuen Jerusalem

2) Jesus ist der König der Gerechtigkeit

3) Er ist der Friedefürst (Jes 9,6)

4) Jesu wahre Herkunft ist Gott (Joh 1,1 u. 14)

5) Seine direkte Abstammung ist Gott10

6) Der Sohn Gottes ist von Ewigkeit her und bleibt ewig

7) Er hat das Abendmahl eingesetzt

8) Er ist der himmlische Hohepriester (Hebr 4,14)

9) Er segnet die Gläubigen (Eph 1,3)

10) Er ist der Sohn Gottes

11) Sein Priestertum hat kein Ende (Hebr 7,17.21.24)

12) Er empfängt heute den Zehnten!

 

Wenn Jesus in allen anderen Punkten buchstäblich oder im wahren Sinn ein Priester nach der Ordnung Melchisedeks geworden ist, dann muss das auch für das Empfangen des Zehnten gelten! Das heißt: Jesus ist derjenige, der heute den Zehnten von denen empfängt, die ihn als ihren Mittler zwischen Gott und Menschen angenommen haben und ihm dienen. …«3

 

Viele Gebote im Alten Testament die einen vorläufigen Status hatten, haben im Neuen Bund durch Christus ihre Gültigkeit verloren. Aber zum Beispiel die Anbetung Gottes oder der moralische Maßstab bestanden schon vor dem Gesetz, wurden später darin verankert und haben bis heute ihren Wert nicht verloren. Dasselbe gilt auch für den Zehnten. Auch wenn spezifische Vorschriften über ihn im Gesetz uns heute nicht mehr betreffen, ist der Zehnte im Allgemeinen nicht hinfällig geworden.

 

Im alten Israel wurde der Zehnte für gewöhnlich jährlich entrichtet, was jeweils mit einer fröhlichen Feier und einem Festessen verbunden war.4 Er wurde überwiegend dazu verwendet, die Priester und Leviten für ihren Tempel- und Lehrdienst zu versorgen. Zu diesem Zweck gab es darüber hinaus noch die Erstlingsfrüchte, die Heb- und die Webopfer.

 

Wir sollten heutzutage aber nicht versuchen, alle Verordnungen genauso einzuhalten. Zum einen, weil wir unter einem anderen, dem Neuen Bund leben. Zum anderen, weil der Zehnte bzw. die Opfer damals überwiegend aus Naturalien bestanden und deshalb die wortwörtliche Ausführung einiger Anweisungen für uns heute schwierig wäre. Aber wir sollten prüfen, ob dahinter nicht auch für uns relevante Prinzipien für unsere (Geld-) Opfer stehen.

 

Die Darbringung der Erstlingsfrüchte betraf nur die Felderträge und was daraus zubereitet wurde. Deshalb könnten wir es heute in den Industrienationen kaum genauso durchführen. Aber manche Christen fühlen sich zum Beispiel geleitet, das erste Gehalt einer neuen Arbeitsstelle für das Reich Gottes zu geben. Das ist in Ordnung, aber es darf nicht als eine Regel für alle Gläubigen aufgestellt werden.

Sowohl die Erstlings- als auch die Zehntgabe war u.a. mit dem Bekenntnis verbunden, dass das ganze Land und alle Erträge Gott gehören.5 Indem das Erste und allerbeste gottgeweiht, d.h. geheiligt6 wurde, war auch das Übrige geheiligt.7

 

Das Hebopfer war der Teil, der vom Tier- und Speiseopfer abgehoben wurde und der dem Priester zustand.8 Diesen »Teil vom Ganzen« nahm der Priester und legte ihn auf die Hände des Opfernden, ergriff dessen Hände und »webte«, d.h. schwenkte ihn vor dem Herrn.9 »Durch das Weben sollte wohl angedeutet werden, dass diese Opferteile, die rein äußerlich einfach aus dem Besitz des Opfernden in den des Priesters überzugehen schienen, in Wirklichkeit Gott dargebracht wurden, der sie dann dem Priester überließ.«10

 

Die Prinzipien, die wir für uns aus dem alten Israel ableiten können, sind Freudigkeit beim Geben, »… denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb«11. Wenn wir den Zehnten (oder andere Geldspenden) geben, sollte es mit dem Bekenntnis verbunden sein, dass wir mit allem, was wir zum Leben brauchen, reichlich gesegnet und ausgerüstet sind.12 In diesem Bewusstsein gab Abraham den Zehnten. Der Segen Gottes war ihm mehr wert, als das Geld eines ganzen Königreiches.13

 

Da sich die Anweisungen für den Zehnten und die Erstlingsfrüchte teilweise überlappen, können wir ohne weiteres unseren Zehnten auch als Erstlingsfrucht betrachten. Vom monatlichen Einkommen bringen wir dem Herrn nämlich das Erste, nicht das was nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben oder am Monatsende nach Abzug aller Lebenskosten noch übrigbleibt.

 

Für manche Christen ist der Zehnte nur eine unbestimmte Geldsumme, die sie geben – oder eben nicht. Aber der Zehnte heißt, wie der Name schon sagt, zehn Prozent des gesamten Einkommens.

Der Zehnte gehört dem Herrn, d.h. er ist ihm heilig. Indem wir den zehnten Teil als Erstlingsfrucht vom Ganzen abheben, bringen wir zum Ausdruck, dass unser gesamter Besitz Gott gehört und somit geheiligt ist. Aber Gott überlässt uns davon neunzig Prozent. Ich glaube, dass diese neunzig Prozent mit dem Segen Gottes am Ende mehr sind, als hundert Prozent ohne seinen Segen.

 

Der Zehnte wird dann in der Gemeinde Menschen übergeben, die mit der Verwaltung betraut sind. (Das trifft natürlich auch dann zu, wenn wir ihn mit der richtigen Haltung auf das entsprechende Bankkonto überweisen.) Rein äußerlich scheint das Geld in den Besitz von Menschen bzw. der Gemeinde überzugehen, aber in Wirklichkeit, wurde er Gott dargebracht, der ihn der Gemeinde zur Verwaltung überlässt.

 

Wenn wir in diesem Sinne den Zehnten geben, dürfen wir uns auch vertrauensvoll auf Gottes Verheißungen stützen, obwohl sie im Alten Testament stehen.

 

Sprüche 3,9-10

Ehre den HERRN mit deinem Besitz und mit den Erstlingen all deines Einkommens, so werden sich deine Scheunen mit Überfluss füllen und deine Keltern von Most überlaufen.

 

Maleachi 3,10

Bringt den Zehnten ganz (in voller Höhe) in das Vorratshaus, damit Speise in meinem Haus sei, und prüft mich doch dadurch, spricht der HERR der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels öffnen und euch Segen in überreicher Fülle herabschütten werde!

 

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1 Römer 4,11-12.16; Galater 3,7-9.26.29

2 Hebräer 5,6; 5,10; 6,20; 7,11; 7,17

3 »Zum Leben zu wenig …« – Die Frage des biblischen Wohlstands, Manfred Roth, S.131-132

4 5 Mose 12,17-18; 14,25-26

5 2 Mose 19,5; 3 Mose 25,23; 5 Mose 8;17-18; 5 Mose Kap.26

6 3 Mose 27,30

7 vergl. Römer 11,16

8 4 Mose 15,19-21; 18,8-13

9 3 Mose 8,27-29; 4 Mose 6,19-20

10 »Lexikon zur Bibel«, Fritz Rienecker

11 2 Korinther 9,7

12 Epheser 1,7; 2 Petrus 1,3

13 1 Mose 14,22-23

 

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