Wie tot war Jesus?

Autor: Markus Rex

 

Im 1 Korinther 15,3-4 heißt es:

 

Denn ich habe euch zu allererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unserer Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag, nach den Schriften.

 

Christus ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben, er wurde in ein Grab gelegt und ist am dritten Tag von den Toten auferstanden. Das ist übereinstimmend der Kern des christlichen Glaubensbekenntnisses. Unterschiedliche Auffassungen gibt es aber über das Wesen des Todes Jesu. Ist er nur körperlich gestorben oder war er auch geistlich tot, und spielt das überhaupt eine Rolle? Ich möchte hier keine theologische Haarspalterei betreiben, sondern lediglich dazu animieren, über die gewaltige Dimension des Erlösungswerkes genauer nachzudenken und eigene Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

 

Wenn wir die Worte betrachten, die Jesus gesprochen hatte, während er am Kreuz hing, finden wir Hinweise für beide Ansichten. So sagte er zu einem von den zwei Verbrechern, die mit ihm zusammen gekreuzigt worden waren: »Heute wirst du mit mir im Paradies sein« (Luk 23,43). Das Paradies Gottes ist der Ort für die Gerechten. Das würde bedeuten, dass Jesus bis zum Zeitpunkt seines Todes gerecht und somit nicht, wie jeder Sünder, geistlich gestorben war. Aber er rief auch: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Matth 27,46). Das wiederum deutet seine Gottesferne an, die jeder Sünder in seinem Leben und nach seinem Tod erfährt.

Eine weitere Aussage Jesu war: »Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist« (Luk 23,46). Das können wir zum einen als einen Hinweis verstehen, dass Jesus selbst im Augenblick seines Sterbens geistlich mit seinem Vater verbunden blieb, aber auch als letzte vertrauensvolle Hingabe an Gott angesichts seines verlorenen geistlichen Zustandes.

 

Allein aus Jesu Worten am Kreuz können wir also keine klare Antwort darauf geben, ob Jesus lediglich körperlich oder auch geistlich tot war. Lasst uns darum als nächstes sein Ringen im Garten Gethsemane ansehen, wo Jesus wusste, dass seine Gefangennahme und anschließende Hinrichtung kurz bevorstanden.

 

… und er fing an betrübt zu werden, und im graute sehr. Da spricht er zu ihnen: Meine Seele ist tief betrübt bis zu Tod … (Matth 26,37-38)

 

… und er fing an zu erschrecken, und im graute sehr … (Mark 14,33)

 

… und er war in ringendem Kampf und betete inbrünstiger; sein Schweiß wurde aber wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen … (Luk 22,44)

 

Warum fürchtete sich Jesus so sehr, dass in seinem Ringen sein Schweiß wie Blutstropfen auf die Erde fiel? Man mag einwenden, dass es für ihn immerhin um Leben und Tod ging. Aber das würde bedeuten, dass Jesus angesichts seines Todes verzagter gewesen wäre, als seine Jünger. Sie und viele andere Christen erlitten teils freimütig und freudig einen nicht weniger grausamen Märtyrertod, weil sie die Auferstehung und Herrlichkeit im Himmel erwarteten. Dass Jesus gegenüber dem Leid ängstlicher gewesen sein soll, als seine Nachfolger ist unwahrscheinlich. Es scheint dagegen, wahrscheinlicher zu sein, dass er einen anderen Tod erlitt als sie, und deshalb so erschrocken war. Dann stellt sich die Frage, vor welcher Art von Tod sich Jesus so sehr fürchtete. Da es nicht ausschließlich der körperliche Tod gewesen sein kann, liegt es auf der Hand, dass Jesus sich davor graute, geistlich zu sterben und als Folge davon vom Vater getrennt zu sein und die Hölle zu erleben. (Dass manche unerretteten Menschen furchtlos Selbstmord begehen, liegt eher daran, dass sie von der Hölle nichts wissen.)

 

Bis jetzt haben wir uns lediglich die Evangelien dazu angeschaut. Sie zeigen uns die physische Seite des Erlösungswerkes, das Jesus für uns vollbracht hatte. Sie beschreiben ausführlich sein Leiden und Sterben am Kreuz. (Die Passion Jesu nimmt immerhin ein Drittel der Evangelien ein.) Doch die ganze Dimension der Erlösung sehen wir erst in den Briefen. Hier wird erklärt, welche Bedeutung Jesu Kreuzigung und Auferstehung für die Menschen hat, die ihn als Erlöser angenommen haben.

 

An dieser Stelle setzte ich voraus, dass das, was das Neue Testament zu Leben und Tod sagt, bekannt ist. Demnach gibt es neben dem physischen auch den geistlichen Tod und neben dem natürlichen auch das geistliche Leben.

Römer 5,12 sagt, dass durch die Sünde Adams der Tod zu allen Menschen kam. Gott kündigte dem Adam ja an, dass er sterben würde, wenn er die verbotenen Frucht essen würde. Daraus, dass Adam nicht sofort körperlich gestorben ist, müssen wir schließen, dass er geistlich starb. Infolge dessen wurde er von der Gottesnähe im Paradies verbannt und starb schließlich auch körperlich.

Die Strafe für die Sünde ist der geistliche Tod mit allen Konsequenzen. Nachdem ein Sünder gestorben ist, erleidet er nach Jesus Worten ewige Höllenqualen. Aber Preis sei Gott! Jesus hat unsere Sünden auf sich genommen und ans Kreuz getragen, wo er für unsere Sünden starb. Wäre Jesus nur körperlich gestorben, wie hätte er dann eine ewige Erlösung mit einer geistlichen Dimension erwerben können. Aber es war eine ewige Erlösung mit ewigen Auswirkungen, die über den natürlichen Tod hinausreichen.1 Es heißt in Jesaja 53,5: »Die Strafe lag auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.« Das bedeutet doch nichts anderes, als dass Jesus auch die geistlichen Konsequenzen für uns ertrug, nämlich das Verlorensein in der Hölle. Genau das deutet auch der Hebräerbrief an.

 

Hebräer 2,9
Wir sehen aber Jesus … wegen des Todesleidens, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt; er sollte ja durch Gottes Gnade für alle den Tod schmecken.

 

Jesus hat für uns den Tod geschmeckt, d.h., erlitten. Wenn das den körperlichen Tod meint, würde es bedeuten, dass diejenigen, die die Erlösung angenommen haben, körperlich nicht mehr sterben würden. Augenscheinlich ist das nicht der Fall. Im 1. Korinther 15,26 heißt es, dass der (körperliche) Tod als der letzte Feind beseitigt wird. Bis dahin werden also auch die Christen noch physisch sterben.

Natürlich ist Jesus am Kreuz auch körperlich gestorben. Beziehen wir die Aussage jedoch auf die geistliche Seite des Todes, macht sie mehr Sinn. Denn wenn Jesus den geistlichen Tod für uns geschmeckt hat, werden wir zwar noch körperlich, aber nicht mehr geistlich sterben.

 

Weiterhin wird Jesus als der »Erstgeborene von den Toten« bezeichnet.2

 

1 Korinther 15,20
Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt; er ist der Erstling der Entschlafenen geworden.

 

Offenbarung 1,5
… und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten …

 

Wenn das nur den physischen Tod meint, wie kann Jesus der Erste gewesen sein? Schon im Alten Testament lesen wir von Totenauferweckungen.3 Jesus selbst hat den Jüngling von Nain, die Tochter des Jairus und den Lazarus auferweckt.4 Wenn die Auferstehung Jesu nur seinen Körper betraf, warum verkündigten Paulus und Johannes, er wäre der Erste gewesen? Wenn Jesus aber tatsächlich geistlich tot gewesen und wieder lebendig geworden ist, ist er wirklich »der Erstgeborene von den Toten«. Das, was das Neue Testament als die »Neue Geburt« bezeichnet, erleben die Menschen erst seit Jesu Auferstehung.

 

Der Epheserbrief gibt uns einen Einblick, mit welcher Kraftanstrengung Gott seinen Sohn auferweckte.

 

Epheser 1,19-20
… was auch die überwältigende Größe seiner Kraftwirkung an uns ist, die wir glauben, gemäß der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke. Die hat er wirksam werden lassen in Christus, als er ihn aus den Toden auferweckte …

 

Mit der überwältigenden Größe seiner Kraftwirkung gemäß der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke hat Gott Jesus von den Toten auferweckt. Mit anderen Worten, es war eine gewaltige göttliche Kraft dafür notwendig. Das macht die Auferstehung Jesu von den Toten zu dem größten Wunder, das jemals geschehen ist. Dass Gott all´ seine Kraft dafür aufgewendet hat, ist auch ein Indiz dafür, dass Jesus in einer anderen Weise tot war, als zum Beispiel Lazarus.

 

Wir haben Grund genug anzunehmen, dass Jesus geistlich starb, als er zur Sünde gemacht wurde, dass er deshalb in die Hölle hinabfuhr und dort die Strafe für uns auf sich nahm. Dann, irgendwann innerhalb von drei Tagen sandte Gott seinen Geist in diesen finsteren Ort und erweckte seinen Sohn. Jesus wurde dort wieder geistlich lebendig, nahm dem Totenreich die Schlüssel ab5 bzw. nahm dem Tod die Macht.6 Hebräer 2,24 sagt, dass er »durch seinen Tod den außer Wirksamkeit setzte, der die Macht des Todes hatte, nämlich den Teufel.« Dann ging er hinüber in den Bereich der Gerechten, den er selbst »Abrahams Schoß« nannte, um dort das Evangelium von der Erlösung zu verkündigen.7 Als er dann in den Himmel aufstieg, führte er die Gerechten, die bis dahin im Totenreich gefangen waren, mit sich in den Himmel.8 Seitdem sind diejenigen, die in Christus sterben, sofort bei ihm im Himmel.
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1 Hebräer 5,9; 9;12

2 Kolosser 1.18; Offenbarung 1,5

3 2 Könige 4,32-37

4 Lukas 7,11-17; Markus 5,38-43; Johannes 11,41-44

5 Offenbarung 1,18

6 2 Timotheus 1,10

7 Lukas 16,22; 1 Petrus 4,6

8 Epheser 4,8-10

 

Monat 04-2013 wugffo.de